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Hämophile Arthropathien – Wann Spritze, wann OP?

Gelenkersatz – das ist sicher für viele Menschen, ob mit oder ohne Hämophilie, ein Schreckgespenst des Alters. Doch nicht immer müssen durch die Hämophilie in Mitleidenschaft gezogene Gelenke durch künstliche ersetzt werden. Es gibt einige Möglichkeiten, die Gelenke nach vielen Einblutungsepisoden mit Physiotherapie und konservativen Maßnahmen zu unterstützen.

Über die Jahre verursachen die Einblutungen in die Gelenke bei Menschen mit Hämophilie die Ausbildung von hämophilen Arthropathien. Dabei handelt es sich um chronische Prozesse, die zu einem Abbau des Gelenkknorpels führen. 

Das Zusammenspiel der folgenden Mechanismen ist für den Knorpelabbau verantwortlich:

  • Der Gelenkinnendruck steigt bei jeder Einblutung an und schädigt so den Knorpel.
  • Die durch das Blut verursachten Eisenablagerungen führen zu einem Abbau der Knorpelzellen.
  • Auch werden durch die Einblutungen Entzündungsmarker in der Gelenkkapsel aktiviert, die für den Knorpel schädlich sind.

Das Blut im Gelenk schädigt durch seine Bestandteile und durch sein Volumen das gesamte Gelenk, inklusive der Gelenkschleimhaut sowie des Gelenkknorpels. 
Selbst kleinste Einblutungen lösen diese schädigenden Prozesse aus. Daher ist es von besonderer Wichtigkeit, schon vor der Entstehung eines größeren Blutergusses (Hämatom), mit einer außerplanmäßigen Faktorgabe entgegenzusteuern. Denn der Behandlung von frühen Blutergüssen kommt eine entscheidende Funktion bei der späteren Ausbildung von hämophilen Arthropathien zu. Die Auflösung eines Hämatoms und somit seine schädigende Einwirkzeit auf die Gelenke verlängert sich dabei deutlich, wenn nicht innerhalb der ersten zwei Stunden nach dem Blutungsereignis das Faktorpräparat gespritzt wird. 

 

Konservative Therapiemöglichkeiten

Zur Vorbeugung von Arthropathien bzw. für ihre Behandlung stehen verschiedene therapeutische Maßnahmen zur Verfügung. Da die Ärzte hier ohne Operationen oder andere chirurgische Methoden vorgehen, spricht man von konservativen Maßnahmen. 

Im Folgenden zeigt eine Übersicht, welche Therapieoptionen es in diesem Bereich gibt: 

  • Physiotherapie/Osteopathie
  • Ärztliche Osteopathie
  • Sporttherapie
  • Medikamentöse Therapie (Injektionstherapie)

Die Ziele der ersten drei Formen sind eine Reduktion der:

  • Entzündung,
  • Schmerzen
  • und der Kontrakturen.

Mehr Beweglichkeit, eine bessere Bewegungskontrolle und eine Wiederherstellung der „Gelenk- und Muskelsituation“ können sich daraus ergeben. 

 

Physiotherapie

Eine Physiotherapie ist nicht nur ein Bestandteil des Reha-Managements nach Gelenk-Operationen, sie kann auch bei einzelnen Blutungsereignissen eingesetzt werden. Die physiotherapeutisch wichtigen einzelnen Phasen, die nach einem Blutungsereignis durchlaufen werden, sind: 

  • Phase 1: Diese Phase wird auch als „akute entzündliche Phase“ bezeichnet. Sie erstreckt sich über die ersten 72 Stunden nach dem Blutungsereignis. In den ersten 24-48 Stunden sollten die Schwellungen durch Kühlen (Kryotherapie), Hochlagern, körperliche Schonung und Kompression zurückgedrängt werden. Frühestens nach 3-4 Tagen sollte mit physiotherapeutischen Übungen und geringer Gewichtsbelastung auf das betroffene Gelenk angefangen werden. Unterstützend können in dieser empfindlichen Phase auch Bandagen oder Orthesen sein. Ein vorheriger Beginn mit Kraftbelastungen hemmt die Aktivität der Knorpelzellen, wie Tierstudien ergaben. Somit sollte nicht zu früh mit Übungen begonnen werden.
  • Phase 2 und 3: Dies ist die subakute entzündliche Phase (4.-12. Tag), in der die funktionelle Rehabilitation stattfindet bzw. in Phase 3 die Rückkehr zum normalen Leben und (Sport-)Aktivitäten. Dazu kann eine sich steigernde Sporttherapie beitragen.

 

Medikamentöse Therapie

Um die Schmerzen zu lindern, ist eine Therapie mit nicht-steroidalen Präparaten zu empfehlen. Dennoch ist hier zu beachten, dass es bei Ihrer Anwendung zu Beschwerden im Magen-Darm-Trakt kommen kann und auch negative Auswirkungen auf Herz-Gefäß-System, sogenannte kardiovaskuläre Ereignisse, stattfinden können. Daher sollte die Behandlung nur über einen kurzen Zeitraum erfolgen, damit der Nutzen die Nebenwirkungen nicht überwiegt. Eine Übersicht zu möglichen schmerzlindernden Medikamenten, die für Menschen mit Hämophilie geeignet sind, gibt Ihnen der Text „Schmerzfrei im Alter“. Eine weitere Option wären Salbenverbände, die an den betroffenen Gelenken angelegt werden. Ihre Wirksamkeit konnte in Studien allerdings nicht nachgewiesen werden. 

 

Radiosynoviothese

Liegt eine chronische Synovitis, also eine dauerhaft entzündete Schleimhaut innerhalb des Gelenks vor, kann eine sogenannte Radiosynoviothese eine Therapieoption sein. Mit diesem Verfahren soll der ursprüngliche Zustand der entzündeten Gelenkinnenhaut mittels lokaler Strahlentherapie wiederhergestellt werden. Es handelt sich um eine nicht-chirurgische Entfernung der Gelenkinnenhaut bzw. um eine Reduzierung ihrer Dicke.

 

Vorgehen

Es wird ein radioaktiver Stoff (Radionuklid) in die entzündete Gelenkschleimhaut gespritzt (Gelenkpunktion) und dieses Areal dann bestrahlt. Je nach Gelenkart kommen unterschiedliche Radionuklide zum Einsatz. Durch die Bestrahlung senden die radioaktiven Bestandteile Strahlung aus, die nur wenige Millimeter weit reicht. So kommt es zu einer Zerstörung der entzündeten Gelenkschleimhaut, ohne dass der Knorpel zu Schaden kommt. 

 

Fazit

Im Ergebnis können Menschen mit Hämophilie mit einer Reduzierung von Gelenkblutungen und der Synovitis sowie der Schmerzen rechnen.
Gut zu wissen: Dieser Therapieform muss eine 6-monatige konservative Therapie vorausgehen, bevor damit gestartet werden darf. 

 

Gelenkoperationen

Hier unterscheidet man Gelenk-erhaltende Operationen wie

  • Synovektomie (Abtragung der erkrankten Gelenkinnenhaut) und
  • Autologe Chondrozyten-Transplantation (Übertragung körpereigener Knorpelzellen).

Es gibt aber auch die Variante der Gelenk-ersetzenden oder -versteifenden Operationen. Zu ihnen zählt z. B. die Endoprothetik.

 

Vorbereitungen

In Vorbereitung auf operative Maßnahmen gibt es bei Menschen mit Hämophilie einige Besonderheiten zu beachten. Durch Schonhaltungen können sich Muskeln zurückgebildet haben (Muskelatrophie), durch Osteoporose die Knochenqualität gemindert werden und durch nicht adäquat behandelte Knochenverletzungen sich Knochendeformitäten ausgebildet haben. Hinzu können Bewegungs- und Funktionseinschränkungen aufgrund verkürzter Sehnen, Muskeln oder Bänder (Kontrakturen) kommen. 

 

Gelenk-erhaltende Operationen

Hierzu zählt die Synvektomie. Je nach Erkrankungsstadium gibt es zwei Vorgehensweisen. In Frage kommt eine radikale Entfernung der entzündlich hypertrophierten Gelenkinnenhaut oder bei bereits sichtbarer Gelenkzerstörung, noch in Kombination mit einer Gelenktoilette (Reinigung des arthrotischen Gelenks). Dadurch sollen die Schmerzen, die Schwellung und die Funktion des Gelenks verbessert werden. Allerdings kann ein Fortschreiten der Gelenkzerstörung meist nicht gestoppt werden. Auch ist die physiotherapeutische Nachbetreuung von großer Wichtigkeit. Während der Hochlagerung des behandelten Gelenks müssen die Patienten schon selbstständig Übungen durchführen. Auch ist eine sofortige Mobilisation auf der Bewegungsschiene notwendig. Allerdings dürfen alle Maßnahmen nicht zu einer Schmerzverstärkung führen, da dies eine Durchblutungsstörung fördert und eine Regeneration der Synovia stören würde.

Bei der autologen Chondrozyten-Transplantation wird eine kleine Menge von Chondrozyten entnommen (Knorpelbiopsie), in einer Zellkultur vermehrt und wieder auf den Knorpeldefekt aufgebracht. Bei fortgeschrittenen arthrotischen Veränderungen ist sie allerdings keine geeignete Therapiemethode.

 

Endoprothetik

Mit etwa 150.000 Operationen pro Jahr gehört der Kniegelenkersatz zu den häufigsten operativen Eingriffen in Deutschland. Auch hier steht die Schmerzreduktion, die Funktionswiederherstellung und somit eine Verbesserung der Lebensqualität im Mittelpunkt. Die Operation, um z. B. eine Endoprothese am Knie einzusetzen, beinhaltet eine Eröffnung des Gelenks, um den geschädigten Knorpel zu entfernen. Abhängig von der Fläche des Knorpelabriebs, kann auch nur ein Gelenkanteil einer Versorgung bedürfen. Entscheidend für die spätere Belastbarkeit ist die Kontaktstelle zwischen Knochen und Implantat. Ziel ist es, die Endoprothese dauerhaft mit dem knöchernen Anteil zu verbinden. 

 

Fazit

Insbesondere bei größeren Maßnahmen, zu denen definitiv auch die Endoprothetik zählt, ist mit einer erhöhten Komplikationsrate bei Hämophilie-Patienten zu rechnen. Daher muss dahingehend eine individuelle Risiko-Nutzen-Einschätzung erfolgen. Wichtig ist im Vorfeld auch eine enge Zusammenarbeit des Orthopäden und Hämostaseologen. So können gute Ergebnisse in der Behandlung von Arthropathien erreicht werden. 

 

 

Quellen: 

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