Einstieg leicht gemacht
Um den Schuleinstieg zu erleichtern, sollten Sie ein ausführliches Gespräch mit dem Hämophilie-Behandlungszentrum, der Schulleitung, dem Klassen- sowie dem Sportlehrer suchen. Insgesamt sollte das komplette Lehrerkollegium über die Erkrankung und Notfallmaßnahmen informiert werden. Weisen Sie aber in diesem Zuge auch darauf hin, dass Ihr Kind durch die regelmäßigen Faktorgaben für das alltägliche Leben gut geschützt ist und es nicht in Watte gepackt werden muss.
Neben der Aufklärung, die durch die Eltern erfolgt, kann dem Schulpersonal die Erkrankung noch durch einen Außenstehenden nahegebracht werden. Diese unterstützende Maßnahme kann z. B. durch einen Mitarbeiter des Hämophiliezentrums erfolgen.
Aufklärung statt Ausgrenzung
Es ist es wichtig, dass die Klassenkameraden über die Hämophilie Bescheid wissen. Am leichtesten ist es, wenn dies gleich zum Schulstart erfolgt. Im Rahmen eines Elternabends kann die Vorstellung der Krankheit im Klassenverband vorbereitet werden. Wichtig ist für die Eltern der Mitschüler, das dies keine ansteckende Krankheit ist, die ihr Kind betrifft. In einer extra dafür frei gehaltenen Unterrichtsstunde, z. B. im Fach Biologie oder Sachkunde, können Sie als Elternteil praxisnah über die Krankheit informieren.
Über die folgenden Kanäle können Sie sich Informationsmaterialien zur Weitergabe an die Lehrer holen, z. B. über:
-
die Broschüre der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe, in der im Kapitel über Hämophilie wichtige Hinweise zur Krankheit geliefert werden sowie Links zu Informationsmaterialien.
-
die jeweiligen Hämophiliezentren
-
die Interessengemeinschaft Hämophiler e. V., die auf YouTube den Aufklärungsfilm „Hämophilie – Was ist das?“ bereitstellt, der auch in einer Unterrichtsstunde gezeigt werden kann.
-
das Verhalten im Blutungsnotfall, das als Poster hier zum Download bereitsteht.
Ausrüstung für Kind und Lehrer(zimmer)
Wenn Ihr Kind eingeschult wird, sollte es einen Notfallpass bei sich tragen.
Außerdem ist wichtig, dass die Lehrer in einer mündlichen Besprechung über das Verhalten im Notfall geschult werden. Damit sie die dabei notwendigen Schritte und Maßnahmen jederzeit vor Augen haben, ist es sinnvoll, ihnen einen auf das Kind individualisierten Notfallplan auszuhändigen. Fragen Sie auch in Ihrem Hämophilie-Behandlungszentrum nach einem solchen Plan für Ihr Kind.
Neben einer Anweisung über mögliche schmerzlindernde Maßnahmen (z.B. Kühlung und Hochlagerung einer betroffenen Extremität) und Schmerzmedikamente, werden im Notfallplan Sofortmaßnahmen bei Vorliegen unterschiedlicher Verletzungsmuster, wie z. B. bei einem blauen Fleck, Nasenbluten oder Schürfwunden, aufgezählt. Die Eltern können dabei schon vorab bestimmen, ob – je nach Art der Verletzung – sie allein oder gleich ein Arzt geholt werden soll. Meistens kann es schon ausreichend sein, wenn Eltern im Notfall schnellstmöglich in die Schule kommen, um ihrem Kind die nötige Infusion zu verabreichen. Für Lehrer ist wichtig zu wissen, dass die Aufmerksamkeit und die schnelle Kommunikation mit den Eltern oberste Priorität ist. Medizinisches Handeln ist nicht erforderlich.
Schulhof ist (k)eine Schonzone
Schubsereien und Schlägereien auf dem Schulhof sollten hämophile Kinder aus dem Weg gehen. Den Schulhof komplett zu meiden und sich zurückzuziehen würde Ihr Kind allerdings nur unnötig ausgrenzen. Ein permanentes Zurückziehen erhöht zudem das Risiko für "Mobbing-Angriffe". Daher sollte Ihr Kind im familiären wie schulischen Umfeld emotional besonders darin gestärkt werden, mit seiner Erkrankung offen umzugehen und ein Gefühl dafür zu entwickeln, wann es bestimmte Situationen meiden sollte und wann es vollkommen in Ordnung ist, wie alle anderen Kinder zu agieren.
Fehlzeiten trotz Faktorgabe
Generell kommen blutungsbedingte Fehlzeiten aufgrund der guten Therapiemöglichkeiten nur noch selten vor. Sollte der Fall eintreten, ist es natürlich schön, wenn Klassenkameraden die Hausaufgaben vorbeibringen. Fallen Klassenarbeiten oder mündliche Abfragen in diesen Zeitraum, sollten Sie mit dem Fachlehrer sprechen, ob diese nach der Genesung z. B. durch eine erhöhte Beteiligung im Unterricht oder Extra-Projektarbeiten ausgeglichen werden können.
Schulfächer mit Verletzungspotenzial
Wird Werkunterricht in der Grundschule angeboten, kann ein hämophiles Kind auch daran teilnehmen. Das Arbeiten ist nach entsprechender Anweisung und mit Umsicht gut möglich. Ein weiteres Thema ist der Schulsport. Eine Teilnahme ist, unter Berücksichtigung einiger einschränkender Aspekte, problemlos möglich. Über das Thema Schulsport & Hämophilie können Sie sich ausführlich in der Broschüre „Hämophilie & Sport“ und in der Kategorie Kinder im Kapitel "Action, Spiel und Spaß!- Sport mit Hämophilie" informieren und die Broschüre auch an den Sportlehrer weitergeben.
Klassenfahrt mit Hämophilie
Schon in der Grundschule finden oft mehrtägige Ausflüge statt. Kinder sollen so mehr Selbständigkeit und Unabhängigkeit vom Elternhaus bekommen. Es ist auch, mit guter Vorplanung und Organisation, für hämophile Kinder möglich, daran teilzunehmen. Die Faktorgabe kann unter Umständen von einem Arzt übernommen werden, der am Aufenthaltsort der Klassenfahrt ansässig ist und sich dazu bereit erklärt. Natürlich kann auch ein Elternteil mitfahren oder, wenn das Ziel nicht so weit entfernt ist, dort vorbeikommen, um die Faktorgabe vorzunehmen. Vielleicht ist das Kind schon so selbständig, dass es sich den Faktor selbst injizieren kann. Aus haftungsrechtlichen Gründen sollte dies von den betreuenden Lehrkräften nicht durchgeführt werden.
-
von Loh S. Entwicklungsstörungen bei Kindern – Medizinisches Grundwissen für pädagogische und therapeutische Berufe. Verlag W. Kohlhammer. 2017